Existenzgründung Wissen – Scheinselbständigkeit – Gefahr

Das Thema der Scheinselbständigkeit wird angesichts leerer Sozialkassen immer wichtiger für den deutschen Staat. Daher wurde die Zahl der Betriebsprüfer bei der Deutschen Rentenversicherung zuletzt drastisch aufgestockt, so dass mit einem lückenlosen Netz von Prüfungen gerechnet werden muss. Die Konsequenz der Prüfungen wird bei den Betroffenen Unternehmen Allerdings erheblich unterschätzt: In den Anwaltspraxen häufen sich deswegen die Fälle existenzbedrohender Nachzahlungen wegen Scheinselbständigkeit (rückwirkend für vier Jahre).


Bild von Dennis Weiland auf Pixabay

Was bedeutet Scheinselbstständigkeit?

Scheinselbstständigkeit liegt vor, wenn jemand formal als Selbstständiger auftritt, tatsächlich aber wie ein Arbeitnehmer in den Betrieb eingegliedert ist – ohne dass eine entsprechende sozialversicherungspflichtige Beschäftigung besteht. Für Betroffene kann das weitreichende Konsequenzen haben, insbesondere in Form von Nachzahlungen an die Sozialversicherung, sowohl für Auftraggeber als auch Auftragnehmer.

Die Definition der Scheinselbständigkeit kann dabei auf der Basis von folgendem Fragenkatalog erfolgen. Sind zwei oder mehr der Kriterien erfüllt, kann bereits eine Scheinselbständigkeit vorliegen. Achtung: bei der Checkliste handelt es sich um eine Arbeitshilfe, um eine Scheinselbständigkeit besser erkennen zu können. Eine endgültige sachverständige Klärung kann durch diese nicht ersetzt werden! Die folgenden Fragen beantworten Sie bitte für sich aus der Sichtweise als Auftraggeber und auch als Auftragnehmer:

  • Arbeitet der freie Mitarbeiter alleine, ohne Arbeitnehmer?
  • Sind ausschließlich geringfügig Beschäftigte für den Subunternehmer tätig (Aushilfen auf 630-Mark-Basis)?
  • Handelt es sich bei den Arbeitnehmern ausschließlich um Familienangehörige? Dazu zählen Großeltern, Eltern, Geschwister, Kinder, Enkel, Pflegekinder und verschwägerte Angehörige.
  • Ist der freie Mitarbeiter faktisch an einen Auftraggeber gebunden?
  • Eine weitere Erwerbstätigkeit ist dem freien Mitarbeiter nicht möglich.

Macht der freie Mitarbeiter mehr als fünf Sechstel seines Umsatzes mit nur einem Auftraggeber? Verbundene Auftraggeber zählen zusammen, beispielsweise verschieden Unternehmen mit denselben Inhabern.

  • Ist der freie Mitarbeiter in vergleichbarer Weise in das Unternehmen eingebunden, wie die festangestellten Personen, die dort tätig sind?
  • Ist die geschuldete Leistung im Ergebnis vom freien Mitarbeiter persönlich zu erbringen?
  • Ist der Arbeitsort des freien Mitarbeiters vom Auftraggeber vorgegeben?
  • Ist die Arbeitszeit des freien Mitarbeiters vom Auftraggeber vorgegeben?
  • Ist die Art und Weise der Auftragsabwicklung des freien Mitarbeiters vom Auftraggeber vorgegeben?
  • Sind Termine des freien Mitarbeiters vom Auftraggeber vorgegeben?
  • Trägt der freie Mitarbeiter das volle unternehmerische Risiko, es eröffnen sich ihm aber nicht die unternehmerischen Chancen?
  • Ist der freie Mitarbeiter an Preisvorgaben gebunden?
  • Ist der freie Mitarbeiter an Bezugsquellen gebunden?
  • Ist der freie Mitarbeiter in der Entscheidung über Einsatz von Kapital, Personal und Maschinen gebunden?

Anhaltspunkte für eine Scheinselbständigkeit sind immer auch, wenn Sie kein Firmenschild oder keine eigenen Geschäftsräume besitzen, kein eigenes Briefpapier oder eigene Visitenkarten haben und in der Arbeitskleidung des Auftraggebers auftreten. Viele Existenzgründer, die neu starten, investieren in der Regel wenig in den eigenen Marktauftritt und arbeiten in den ersten Monaten nur für einen Auftraggeber und das oft auch noch auf Stundenbasis (Handwerker, Dienstleister, Transportgewerbe, etc.). Erfolgt nun eine Prüfung auf Scheinselbständigkeit bei dem Auftraggeber des Existenzgründers, beispielsweise durch den Zoll auf der Baustelle, kann der Auftraggeber bereits massive Probleme bekommen. Dabei beanspruchen die Arbeitsgerichte, Sozialgerichte und Finanzgerichte für sich, die Abgrenzung "Arbeitnehmer/Selbständiger" (Arbeitsrecht), "Sozialversicherungspflichtig/ Selbständig/ arbeitnehmerähnlich selbständig" (Sozialversicherungsrecht) und "Arbeitnehmer/ umsatzsteuerpflichtiger Unternehmer" (Steuerrecht) eigenständig und unter Umständen sogar im selben Fall unterschiedlich zu bewerten. Letztlich blickt dort keiner mehr durch.

Risikofaktoren – Woran man eine mögliche Scheinselbstständigkeit erkennt

Scheinselbstständigkeit ist keine eindeutige Ja-Nein-Entscheidung, sondern beruht auf einer Gesamtbetrachtung vieler Faktoren. Hier sind typische Indikatoren:

  • Weisungsgebundenheit: Du musst feste Arbeitszeiten einhalten, bestimmte Tools oder Prozesse nutzen oder erhältst regelmäßige Aufgabenanweisungen vom Auftraggeber.
  • Eingliederung in betriebliche Abläufe: Du nutzt die Infrastruktur des Unternehmens, nimmst an internen Besprechungen teil oder trittst gegenüber Dritten wie ein Mitarbeiter auf.
  • Nur ein Auftraggeber: Du arbeitest über einen längeren Zeitraum ausschließlich für einen Kunden, was ein starkes Indiz für wirtschaftliche Abhängigkeit ist.
  • Fehlende unternehmerische Merkmale: Keine eigene Website, keine Werbung, keine weiteren Kundenkontakte – das kann Zweifel an der echten Selbstständigkeit wecken.
  • Keine eigene Preisgestaltung: Wenn der Auftraggeber die Vergütung einseitig bestimmt oder du wie ein Angestellter nach Stunden bezahlt wirst, wirkt das eher arbeitnehmerähnlich.

Dabei sind prinzipiell zwei Risiken zu diskutieren:

  1. was passiert, wenn ich scheinselbstständig arbeite
  2. was passiert, wenn ich Scheinselbstständige beauftrage

Das wohl größte Unheil droht dem Auftraggeber(Fall 2), da der Auftraggeber dann auf einen Schlag für die Dauer der Beschäftigung den durchschnittlichen Gesamtsozialversicherungsbeitrag (41,9 Prozent) über den Beschäftigungszeitraum bezahlen darf. Bei vier Jahren scheinselbstständiger Tätigkeit kommen so satte 168 Prozent eines Jahresgehalts des betreffenden Scheinselbstständigen zusammen. Wenn es sich bei der Beschäftigung von "Selbstständigen" und "freien Mitarbeitern" gar um das strukturelle Geschäftskonzept handelte, bleibt dem betroffenen Unternehmen meist nur noch die Insolvenz.

Bereits bei der Existenzgründung prüft das Finanzamt (Fall 1) bei der Vergabe der Steuernummer das Kriterium der Schein der Scheinselbständigkeit ab. Insbesondere viele Handwerker wundern sich dann, wenn ihnen keine Steuernummer unter Anführung des Kriteriums drohende Scheinselbständigkeit erteilt wird. Wenn man nun im Nachhinein durch bspw. eine Außenprüfung bei seinem Auftraggeber als abhängig Beschäftigter eingeordnet wird, ist natürlich auch keine unternehmerische Tätigkeit mehr gegeben beziehungsweise war von Anfang an nicht gegeben und die erzielten Umsätze aus der unternehmerischen Tätigkeit müssen steuerlich neu betrachtet werden. Eine ebenso Nerven aufreibende Neubetrachtung mit erheblichen Kosten der steuerlichen Beratung verbunden.

Praktische Tipps zur Risikominimierung

Wenn du als Freelancer oder Gründer arbeitest, solltest du folgende Punkte beachten, um eine saubere Trennung zwischen echter Selbstständigkeit und potenzieller Scheinselbstständigkeit sicherzustellen:

  • Pflege ein sichtbares Unternehmerprofil: Präsentiere dich mit Website, Social-Media-Profilen, Visitenkarten und einem eigenen Markenauftritt.
  • Arbeite für mehrere Kunden: Zeige unternehmerisches Risiko und wirtschaftliche Unabhängigkeit durch mehrere Auftraggeber.
  • Eigene Infrastruktur nutzen: Vermeide es, dauerhaft im Büro des Auftraggebers zu sitzen oder dessen Arbeitsmittel zu verwenden.
  • Verträge schriftlich regeln: Stelle sicher, dass deine Verträge Leistungen beschreiben, aber keine arbeitnehmerähnlichen Bedingungen enthalten (z. B. feste Arbeitszeiten oder Urlaubsregelungen).
  • Keine Eingliederung in Organisation: Lass dir keine unternehmensinterne E-Mail-Adresse geben und vermeide Auftritte als „Teammitglied“.

Was passiert bei einer Prüfung?

Kommt es zu einer Prüfung durch die Deutsche Rentenversicherung oder ein Betriebsprüfer stellt Auffälligkeiten fest, kann rückwirkend eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung festgestellt werden. Dann drohen:

  • Nachzahlungspflichten für Sozialabgaben (bis zu 4 Jahre rückwirkend)
  • Säumniszuschläge
  • Verlust des Unternehmerstatus mit Auswirkungen auf Steuer, Altersvorsorge und Krankenversicherung

Statusfeststellungsverfahren – Klarheit vorab schaffen

Das sogenannte Statusfeststellungsverfahren bei der Deutschen Rentenversicherung kann auf Antrag durchgeführt werden – entweder durch dich selbst oder den Auftraggeber. Dieses Verfahren schafft vorab Klarheit über deinen sozialversicherungsrechtlichen Status und kann späteren Ärger vermeiden.

Fazit

Scheinselbstständigkeit ist kein Randthema, sondern betrifft viele Solo-Selbstständige, Gründer:innen und kleine Unternehmen. Wer als Freelancer ernst genommen werden will, muss auch unternehmerisch handeln – und das sollte sich nicht nur im Vertrag, sondern auch im Geschäftsalltag widerspiegeln.


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